Kapitel 3
 

Chroniken von Tamalia

 

Kapital Drei: Leilanas Lektion

 

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Rondas Gabriel nochmals, als dieser sich auf das Bett setzte und sich langsam anzog. „Nichts. Nur ein schlecht geschlafen“, antwortete Gabriel ohne Rondas in die Augen zu sehen. „Wenn du meinst“, erwiderte Rondas und ging Richtung Tür, „ich hohl dir einen Apfel. Beeil dich mit umziehen. Leilana wartet nicht gerne.“ Gabriel nahm sich trotzdem alle Zeit der Welt und war mit den Gedanken immer noch bei seinem Traum. Es war nicht das erste Mal, dass er so lebhaft geträumt hatte. Doch das erste Mal, dass es etwas so schreckliches war. „Salina“, flüsterte er und dachte an die blonde Frau die Leilana im Traum getötet hatte.“ Er fühlte, dass etwas auf ihn zugeflogen kam. Reflexartig schnappte er sich den angeflogenen Gegenstand mit der rechten Hand. Es war ein Apfel. „Hab ich dir nicht gesagt Leilana wartet nicht gerne?“, fragte Rondas grinsend mit tadelndem Blick, rannte jedoch lachend los, als Gabriel sich ebenfalls lachend versuchte auf ihn zu stürzen. „Musst du mir deswegen gleich einen Apfel an den Kopf werfen!“, rief er Rondas nach, der aber bereits im Wald verschwunden war. Gabriel liess sich nicht hetzen und ass genüsslich seinen Apfel und machte sich auf zu Leilanas Hütte, welche im nahen Wald lag. Er hörte schon von weitem Leilanas Stimme. Leilana war die Schamanin des Dorfes und Ziehmutter Gabriels. Sie war eher klein und trug Kleidung aus Leder, wie es sich für eine alte Schamanin geziemte, mit vielen Täschchen, in denen viele Kräuter, Beeren und anderes Grünzeug verstaut waren. Sie war sehr alt, so dass ihr Haar bereits ergraut war, und ihr Gesicht viele Falten trug, die sie erfahrener wirken liessen, als jeder Baum. Ihre Augen waren Blau wie der Ozean und genauso tiefgründig. Sie war sehr aufbrausend, dies zeigte sich wieder einmal dadurch, als sie dabei war Rondas Kampfstil zu tadeln. „Vernachlässige deine Deckung nicht, wenn du dein Chakra sammelst! – Nein! Nein! Nein! Versuch es gleich noch mal!“, schrie abermals Leilana, während Rondas versuchte einer verzauberten Puppe, die die Gestalt eines Trolls angenommen hatte, den Garaus zu machen. Der war trotz der Tatsache, dass er nicht echt war, keine schwache Attrappe, sondern genauso stark wie ein echter Troll. Auch äusserlich glich er einem Troll, wie ein Ei dem anderen. Die grünen Haare auf den muskelbepackten Gliedern stanken genauso wie der gewaltige Fressschlund, der voll gepackt war mit scharfen Zähnen. Irgendwo schauten dann noch die kleinen schwarzen Augen hervor. Trotz seiner zwei Meter war die Kreatur extrem wendig und schlug mit ihren riesigen Pranken sogar ausgewachsene Baumstämme klein. Obwohl es nur ein Trainingskampf gegen eine Puppe war strengte Rondas sich an und versuchte mit einem Holzschwert und seinen Künsten den Troll umzuwerfen. Doch der zerrissenen Kleidung und den Kritiken Leilanas nach zu urteilen, waren seine Angriffe nicht effektiv genug. Er versuchte zwar unter den Schlägen hinweg zu tauchen und die Faust in der Brust des Ungetüms zu versenken, doch übersah dabei die andere Pranke, die, als sie ihn mit voller Wucht im Gesicht traf, ihn einige Meter durch die Luft schleuderte ehe er auf dem Boden aufprallte. Leilana stoppte den Troll mit einer Handbewegung, ging auf Rondas zu und beugte sich über ihn. „Glückwunsch. Wäre das ein echter Kampf wärst du jetzt tot“, seufzte sie und sprach einen Zauber, worauf der Troll sich wieder eine unbewegliche Puppe verwandelte. Sie legte ihre Hand auf Rondas Brust und schloss die Augen. Die Verletzungen verschwanden und seine Kleidung war auch wieder ganz. „Tut mir leid Leilana. Ich war zu nachlässig.“ – „Das kannst du im Ernstfall dem Troll erzählen, ehe er deine Knochen zermalmt“, sagt sie ihm in abwesendem Ton, „wo bleibt eigentlich Gabriel?“.

Gabriel trat zwischen den Bäumen hervor und ging auf die Beiden zu. „Bin ja schon da. Scheine ja nichts Grossartiges verpasst zu haben“, sagte er lässig und betrachtete die magische Puppe. „Nein, hast du wirklich nicht. Aber da du es doch noch geschafft hast zu kommen, werde ich euch jetzt etwas Neues beibringen“, sagte sie zu Gabriel und sah ihm tief in die Augen, „heute werdet ihr das Vergnügen haben etwas zu lernen, dass euch vielleicht mal das Leben retten wird“. „Geht in Deckung und beobachtet mich!“, rief sie den Beiden zu, als sie auf die Puppe zuging. Sie sagte etwas, was die zwei nicht verstanden und die Puppe begann sich aufzublähen. „Was meinst du, wird sie uns diesmal auf den Hals hetzen wollen?“, fragte Rondas Gabriel, der sich mittlerweile neben ihm bequem gemacht hatte. „Weiss nicht. Vermutlich etwas spektakuläres, dass uns im wirklichen Leben niemals begegnen würde. So wie diesen Troll, um uns zu zeigen, dass man nie auf alles vorbereitet sein kann, was meiner Meinung nach jedoch möglich ist“, antwortete Gabriel. Die Puppe blähte sich weiter auf. Daraus formte sich ein schuppiger Körper. Der Hals der Puppe wurde immer länger und aus dem runden Puppenkopf formte sich langsam ein bedrohlich aussehendes Gesicht. Spätestens als der Puppe noch zwei riesige Flügel aus dem Rücken sprossen, war den Beiden klar, was Leilana da formte. „Ein Drache dieser Art ist als Junges drei Meter lang, und als Erwachsener etwa neun. Sein Gewicht beläuft sich von zwei bis zu etwa acht Tonnen. Je nachdem wie er gelebt hat. Sein Schuppenpanzer schützt ihn vor extremer Hitze sowie auch vor extremer Kälte. Sein Feuer lässt sogar Steine schmelzen und ist daher für Menschen tödlich“, erklärte sie ihnen während die Puppe sich immer weiter in einen Drachen verwandelte, „ich werde euch nun eine Technik zeigen mit der ihr den Drachen ohne weiteres ausschalten könnt, wobei ihr aber auch euer eigenes Leben riskiert.“ – „Riskieren wir unser Leben nicht auch schon, wenn wir uns einem Drachen stellen?“, fragte sich Gabriel. Doch sie widmete seinem Kommentar keine Aufmerksamkeit.

 Leilana stand genau vor dem Ungetüm, hielt die Arme an die Seite gepresst und drehte sie so, dass die Handflächen auf den Drachen gerichtet waren. Sie begann sich zu konzentrieren. Der Drache beobachtete sie für eine Weile, bevor er begann sich aufzubrausen und mit seinem gewaltigen Brüllen den Wald erzittern zu lassen. Er schnaubte durch seine Nasenlöcher und brüllte Furcht erregend. Er richtete sein geöffnetes Maul und griff mit einer gigantischen Flamme an, die Leilana umschlang. Rondas wollte aufspringen um ihr zu helfen, doch Gabriel hielt ihn zurück. „Glaubst du wirklich Leilana würde uns mit dem Vieh alleine lassen?“, fragte er ihn und deutete mit einer Hand auf den Feuerball, der nicht aufhören wollte zu brennen. Der Drache war genau so erstaunt wie die beiden Zuschauer. Auf einmal sprang Leilana aus den Flammen heraus. Ihr ganzer Körper war in weisses Licht getaucht und ihre Muskelmasse war auf doppelte Grösse angewachsen. Während dem Sprung holte sie zum Schlag aus und versenkte ihre Faust in der Brust des Drachens. Dieser war so überrascht vom Angriff, dass er keine Zeit zu reagieren hatte. Stattdessen gab seine stählerne Haut unter dem Druck des Schlages nach. Der Angriff schien heftiger gewesen zu sein, als Gabriel und Rondas anfangs dachten.

Der Drache wurde in den Wald geschleudert, warf Bäume um und riss eine Schneise in den Wald, an deren Ende er liegen blieb. Während er sich langsam in die Puppe zurück verwandelte, wandte sich Leilana wieder Rondas und Gabriel zu, die vollkommen überrascht dasassen und den Mund vor Staunen nicht mehr zu schliessen vermochten. „Diese Technik“, begann sie schnaufend, „ist deshalb gefährlich, weil sie erstens viel Zeit beansprucht und euer gesamtes Chakra bündelt. Falls euer Angriff ins Leere geht, werdet ihr kaum Chakra in Petto haben und dem Gegner hilflos ausgeliefert sein.“ Sie sah den Beiden in die Gesichter, die darauf brannten es selbst auszuprobieren. „Ihr werdet diese Technik lernen, und auch lernen euere Energie kontrolliert einzusetzen. Die Wahrscheinlichkeit einem Drachen zu begegnen ist heutzutage viel kleiner als zu meiner Zeit.“ – „Wann war denn eigentlich deine Zeit Leilana?“ fragte Gabriel. „Man fragt nicht nach dem Alter einer Dame“, tadelte ihn Rondas. „Genau. Nimm dir ein Beispiel an ihm Gabriel!“, sagte sie und fuhr weiter, „jedenfalls werdet ihr diese Technik heute üben. Ihr werdet einem Baum gegenüberstehen und in versuchen mit eurer Faust zu fällen. Versucht euere Energie zu kontrollieren und wenn ihr schon nicht dazu in der Lage seid, versucht wenigstens den Baum zu treffen“, doch sie war noch nicht zu Ende. „Gabriel, dein Chakra richtet sich vor allem dem Element Wasser, deshalb musst du dein Chakra präziser einsetzen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Ich weiss dass dir Konzentration nicht gerade liegt, aber du wirst mir eines Tages dankbar dafür sein.“ Sie wandte sich auch an Rondas. „Du, Rondas, bist eher auf Feuer spezialisiert. Das bedeutet, dass dir diese Technik einfacher fallen wird, da Feuer eher ein gewalttätiges Element ist. Nun ran an die Arbeit! Wenn ihr fertig seid könnt ihr gehen.“ Mit diesen Worten ging Sie zurück in ihre Hütte während sich die Beiden einen Baum aussuchten. „Machen wir ein Spiel?“ – „Hab mich schon gefragt wann du mich das fragst!“, antwortete Gabriel ihm. „Okay. Wer seinen Baum als letzter fällt. Muss die Hausaufgaben schreiben.“ – „Abgemacht!“, stimmte Gabriel ihm zu und beide machten sich ans Werk.

 

Wie es in der Jugend nun mal so ist, gingen die Beiden erst einmal stümperhaft zu Werke. Gabriel holte bereits nach wenigen Minuten zum Schlag aus. Bis auf eine blutige Hand war der Versuch ziemlich trocken. Auch Rondas erster Versuch scheiterte und bescherte auch ihm schmerzende Knöchel. Stundenlang standen sie den Bäumen gegenüber ohne den kleinsten Hoffnungsschimmer auf Erfolg. Bis es Gabriel doch gelang, sein Chakra richtig zu bündeln.

Lange stand er dafür still und rührte sich nicht. Seine Augen waren geschlossen, sein Atem ruhig. Er konzentrierte sich nur noch auf seine rechte Faust, die schon ziemlich angeschlagen war. Er verdrängte den Schmerz und dachte nur noch an sein Chakra. Sein Körper leuchtete im matten Blau. Rondas tat es ihm gleich. Beide waren zu diesem Zeitpunkt bereits erschöpft und bemerkten nicht, dass sie sich, aufgrund offensichtlicher Orientierungs- und Gleichgewichtsprobleme, auf einmal gegenüberstanden. Beide holten zur selben Zeit zum Schlag aus. Ihre Fäuste schlugen gegeneinander und beide wurden durch die dabei freigesetzte Energie zu Boden geworfen.

„Nicht übel. Nur solltet ihr das nächste Mal darauf achten wen ihr angreift und die Augen stets auf das Ziel gerichtet haben. Aber die Grundlage scheint ihr begriffen zu haben“, sprach Leilana, die mit gemächlichem Schritt auf sie zu kam. „Ihr solltet regelmässig trainieren, aber dabei auch die anderen Fähigkeiten nicht vernachlässigen und vergesst niemals!“ – „Niemals irgendeiner Menschenseele eure Fähigkeiten zu offenbaren!“ sagten alle Drei im Chor. „Die Leute hier sind einen ruhigen Lebensalltag gewöhnt.“ - „Schon klar. Kannst dich auf uns verlassen, aber jetzt“, sagte Rondas, der gerade den Himmel nach der Sonne absuchte und diese bereits tief am Himmel fand: „Wir müssen leider los. Unsere Hausaufgaben warten“. Sie eilten wieder ins Dorf um erstmals etwas zu essen. Schliesslich hatten sie den ganzen Tag damit zugebracht einen Baum zu schlagen. Nach einer kurzen Stärkung machten sie sich in die Tiefen der Wälder auf.

 

 

 
 
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