Kapitel 2
 

Chroniken von Tamalia

 

Kapitel Zwei: Ein seltsamer Traum

 

Gabriel stand oben auf einer Klippe. Neben ihm stürzte sich ein Fluss tosend in die Tiefe. Das unten schäumende Wasser zog weiter und floss an seinem Dorf vorbei. Trotz des Lärms des Wasserfalls war dies Gabriels Lieblingsplatz. Denn hier hat er seine Ruhe und er liebte die Aussicht, die sich ihm hier bot. Er setzte sich am liebsten auf die Wurzeln des einzigen Baumes, der hier direkt neben dem Wasserfall wuchs. In der Ferne erhoben sich die Hügel wellenförmig am blauen Horizont. Das endlose Grün, dass sich jeden Herbst in einen farbigen Teppich verwandelte, beruhigte seine Seele und liess ihn seine Einsamkeit vergessen. Selbst wenn es in Strömen regnete oder der kälteste Schneesturm tobte. Er hat viel Zeit an diesem Ort verbracht und ihn lieben gelernt.

Auf einmal liess der Boden unter ihm nach und er stürzte mitsamt dem Baum in die Tiefe. Er wollte sich an der Wand festhalten, doch egal wo er hin griff, er hatte das Gefühl die Wand würde vor seiner Hand zurückweichen. Auch dauerte der Sturz unheimlich lange. So lange, dass er das Gefühl hatte gar nicht mehr zu fallen. Verwundert darüber drehte er sich gen Boden und sah das Dorf! Es war Morgen, die Frauen brachten die Kinder zur Vorschule, die Männer kehrten bereits vom Feld zurück, und die alten Leute unterhielten sich über Gott und die Welt. Doch Gabriel schenkte der Idylle keine Beachtung, schliesslich war er immer noch im freien Fall. Er erwartete den Aufschlag, doch statt auf dem Boden auf zu schlagen flog er ohne Widerstand hindurch. Für einen Moment blendete ihn ein Licht so stark, dass er die Augen schliessen musste. Doch als er die Augen wieder öffnete, wünschte er sich, er hätte dies nicht getan.

Sein Dorf stand in Flammen. Vereinzelt lagen Körper reglos am Boden. Feuer war gelegt worden, die Luft war vom Gestank von Blut und Rauch erfüllt. Manche rannten wie kopflose Hühner durch die Strassen und wurden dabei von den Gardisten gejagt und gnadenlos getötet. Eine Frau rannte gerade aus einem Haus. Sie hielt ihr Baby in den Armen. Sie strauchelte und fiel, das Baby schützend, in den Dreck. Drei Gardisten, die in schwarzer Rüstung und ihrer schweren Waffen genau so aussahen, wie Gabriel es von Frau Ngoc gehört hatte, traten aus dem Haus der Frau und gingen langsam auf sie zu. Sie und ihr Kind schrieen verängstigt. Um ihnen zu entkommen stand sie auf und versuchte Richtung Wald zu rennen. Doch einer der drei spannte seinen Bogen, zielte, der Pfeil flog durch die Luft und durchbohrte die Brust der Frau. Sie verlor das Gleichgewicht und begrub ihr eigens Kind unter sich. Die Drei lachten hämisch und sahen sich nach einem neuen Opfer um. Er sah wie sie auf sein Haus zugingen. Doch Gabriel wusste, dass sie dort niemanden vorfinden würden. Er rannte zu der Frau und wollte ihr helfen. Drehte sie dafür auf den Rücken, doch sah nur noch ihr entsetztes Gesicht mit den leeren Augen, das Baby immer noch fest in den Armen. Der Pfeil hatte es knapp verfehlt, doch es schien ohnmächtig zu sein, was erklären würde, weshalb es nicht mehr geschrieen hatte. Gabriel Schloss ihr die Augen, löste ihren Griff um das Baby und nahm es an sich. Er murmelte ein paar Sätze, die er von Leilana gelernt hatte und erwies der Frau so gut wie es die Situation zuliess die letzte Ehre, denn die Gardisten verliessen gerade sein leeres Haus. Er rannte. So schnell er konnte versuchte er sich und das ohnmächtige Baby möglichst weit weg von Feuer, Rauch und besonders dieser grausamen Gardisten zu bringen. „Gerechtigkeit am Arsch!“, fluchte er leise und versuchte den Blick von all den Toten abzuwenden. Männer wurden auf den Palisaden aufgespiesst. Andere lagen auf dem Bauch, ihr Rücken gespickt von Pfeilen. Frauen lagen niedergeschlagen auf der Erde. Manche waren auch schon so entstellt, dass man nicht einmal mehr das Geschlecht erkenne konnte. Das Blut hatte die Erde der Strassen rot gefärbt. Sogar Kinder, die Gabriel persönlich kannte, wurden getötet, manche Gesichter grausam entstellt. Doch nicht einmal die Leichen wurden in Frieden gelassen. Wolfsähnliche Geschöpfe nährten sich von den Leichen. Sie zerfetzten die Kleidung und verbissen sich im Fleisch. Zwei der Kreaturen zerrten am selben Darm und verspritzten dessen Inhalt auf dem Boden. Dabei schienen sie Gabriel nicht zu bemerken, der sich langsam, mit dem Kind im Arm, an ihnen vorbei stahl. Als er beim Haus seines Freundes vorbeikam, traf ihn auch schon der nächste Schlag. Rondas lag einige Meter weit weg vom Haus, in einem Blumenbeet. Ein Pfeil hatte seine Brust durchbohrt. Gabriel rannte zu ihm. Er lag so friedlich da, wie er es oft tat. Die weissen Blüten der Blumen waren rötlich gefärbt von seinem Blut. „Rondas! Was ist passiert?!“ „Die Fürstin Salina ist hier. Sie sucht jemanden. Sie kamen so schnell, rette dich Gabriel. Geh! Ich konnte nichts gegen sie ausrichten“, röchelte Rondas, dessen Gesicht bereits totenblass war. „Geh zu Leilana! Versuch Lilly zu finden!“, sagte er mit letzter Kraft, bevor der Glanz seiner Augen erlosch und er seine Seele aushauchte. „Nein! Rondas, bitte nicht! Verlass mich nicht! Verlass mich nicht!“, schluchzte Gabriel. Tränen rollten ihm über die Wangen und hielt Rondas tief umschlungen.

Er verharrte einige Momente so, bevor er Rondas auch seine Ehre erwies und dessen Augen schloss.  Er sah sich um und rannte in den Wald zu Leilanas Hütte. Auf dem Weg begegnete er keiner Wolfskreatur, keinem Gardisten, niemandem. Der Wald war wie ausgestorben. Er wollte gerade auf die Lichtung zu Leilanas Haus rennen, als er eine vergnügte Stimme Lachen hörte. „Da haben wir sie! Die mächtige Leilana! Hier hast du dich versteckt. Doch habe ich dich gefunden. Hattest du wirklich gedacht ich würde dich in all diesen Jahren vergessen?!“, sprach eine junge Frau. Sie trug eine weisse Rüstung, doch die war so knapp, dass sie sie kaum schützen würde. Ihre Haut war sonnengebräunt und ihr blondes Haar fiel ihr bis zu den Hüften, und war kunstvoll mit Schleifen geflochten. In der rechten Hand hielt sie ein silbernes Schwert, welches sie Leilana an die Kehle hielt. Leilanas grinste und bespuckte Salinas Gesicht mit Blut: „Ich wusste, dass du mich eines Tages finden würdest. Hatte jedoch gehofft noch ein paar Jahre zu haben.“ - „Wozu? Was wollte eine kleine, schwache, alte Frau noch tun?! Du wirst hier und jetzt sterben!“, sprach sie leise und schlitzte Leilanas Hals auf. Das Baby erwachte genau in diesem Moment und es dauerte keine Sekunde, da es zu schreien begann. Salina sah genau in ihre Richtung. Doch Gabriel hörte das Geschrei des Kleinen nicht, da er selbst aus vollem Herzen schrie.

Er sprang aus seinem Versteck und machte einen riesigen Satz auf Salina zu. Eine grenzenlose Wut setzte sich in Gabriel frei. Er holte mit der rechten Hand aus, und konzentrierte all seine Kraft in ihr. In seiner Faust formte sich ein blauer Ball aus Chakra, den er so stark er konnte auf Salina warf. Sie jedoch lächelte nur amüsiert, als er sie voll erwischte. Gabriel verlor auf einmal all seine Kraft und sank in die Knie. Er konnte nicht mehr, was ihn überraschte. Zwar hatte er noch nie so etwas Zustande gebracht, doch er dürfte nicht schon so erschöpft sein. Als sich der Rauch langsam verzogen hatte, stand Salina immer noch da und lachte Gabriel aus. „Mit dieser Kraft kannst du niemanden beschützen“, verhöhnte sie Gabriel und steckte ihr Schwert in die Scheide, „du wirst nicht mehr lernen müssen einer Herrscherin Respekt zu zollen.“ Sie sprang, knapp über dem Boden schwebend auf Gabriel zu und holte zum Schlag auf. Ihre Hand schien grün zu leuchten. Ein grüner Blitz schoss auf Gabriel zu und das war das letzte, dass er sah.

 

Er schoss auf. Schweissüberströmt sass er kerzengerade in seinem Bett. Er hörte das friedliche Zwitschern der Vögel und spürte die warme Morgensonne, die durch das Fenster des Zimmers schien. „Gut geschlafen?“, fragte ihn jemand neben ihm. Gabriel zuckte zusammen, und erkannte, dass Rondas neben seinem Bett stand und gerade genüsslich in einen Apfel biss. „Du siehst so bleich aus. Hast du schlecht geschlafen?“, fragte ihn Rondas mit besorgtem Blick. „Nein, alles in Ordnung. Hatte nur einen Alptraum“, antwortete Gabriel, der immer noch mit den Gedanken mit dem Traum beschäftigt war. „Na dann. Zieh dich an. Wir müssen los“, sagte ihm Rondas, der dabei war die Kleider zusammen zu räumen und sie auf Gabriels Bett zu legen. „Leilana hat uns gerufen, besser gesagt, geschrieen. Wir sollen unser Training heute nicht versäumen, wegen dem Turnier nächste Woche“. - „Ich komme gleich“, sagte Gabriel, der inzwischen aufgestanden war und sich auf dem Weg zum Bach machte, der sich durch das Dorf schlängelte. Er sah sich um. Alles schien seinen gewohnten Gang zu haben. Die Männer arbeiteten auf dem Feld, die Frauen wuschen die Wäsche am Fluss, die Kinder spielten Fangen und die alten Leute sprachen wie immer über Gott und die Welt. Keine Spur von Feuer oder Tod. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Er betrachtete sein Spiegelbild im Wasser. „Hab ich das alles wirklich nur geträumt? Es fühlte sich so echt an.“ Er beschloss diesen Traum für sich zu behalten. Rasch wusch er sich das Gesicht und kehrte zu seinem Haus zurück, wo Rondas auf ihn wartete.

 
 
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